ÄPFEL & BIRNEN – und ein Dolce di pere della fattoresca

Jetzt hat es ein wenig länger gedauert, von meinem letzten Artikel bis zu diesem. Nach unserem Besuch am Bodensee, wollte ich etwas über Äpfel schreiben, Streuobstwiesen mit alten Birnbäumen suchen und einen Birnenkuchen backen. Dann versank ich in alten Bildtafeln, archäobotanischen Büchern, in Versen eines Abtes namens Walahfrid Strabo, reiste schließlich in ein Gebirge am Rande der Welt in Kasachstan, flog über die Seidenstraße zurück zu einem römischen Brunnen in meinem Nachbarort, um dort Apfelkerne aus dem Sumpf zu waschen. Alles, auf der Suche nach dem Ursprung des Apfels. Und der Birne. Oder waren es doch Fieberträume? Denn ich hatte Corona, again. Jaja, ich war überzeugt – „es ist doch nur ein Schnupfen…“.
Doch „An apple a day keeps the doctor away“. Oder, der Geist ist rege, der Körper macht trotzdem schlapp. Der Birnenkuchen musste warten, der Text über Äpfel, Birnen, Römer und Perser – der füllt mittlerweile Bücher.

Wie kam der Apfel an den Bodensee? Und Die Birne?

Bei einem Obstbaumrundgang bei der KOB in Ravensburg, dem Kompetenzzentrum für Obstbau, lernte ich, der Apfel kommt ja eigentlich aus Kasachstan. Der heutige Kulturapfel. Holzäpfel gab es schon bei uns, aber die schmeckten so, wie sie heißen. Stimmt, das wusste ich noch irgendwoher. Alma-ata, so hieß die frühere Hauptstadt Kasachstans, das war russisch-kauderwelsch und bedeutet „Apfel Vater“. Heute heißt die Stadt Almaty und das ist das wahre Wort für „Apfel“. Auf kasachisch.

Und die Birne stammt aus Persien, habe ich noch gelernt. Doch wie kamen die beiden Früchte dann von dort nach Alamannien oder genauer Suebien – sprich, an den Bodensee? Also ich meine, wie das heutzutage geht, das weiß man ja. Aber sie waren sicherlich schon mit den Römern dort im römischen Norden. Und wie kam der Apfel von Kasachstan nach Rom? Dass sie Kulturäpfel anbauten, zeigten Funde in römischen Brunnen. Im feuchten Sumpf haben sich Pollen erhalten und Kerne. Apfelkerne zum Beispiel.

Gehen wir ein Stück weiter in der Geschichte. Lassen die Völkerwanderungszeit (falls es sie so gab) weg und schreiten direkt zu den Karolingern und zu Karl dem Großen. Der kannte den Obstbau der Römer und auch schon das Veredeln (Pfropfen) von Apfelbäumen und von Wein. Und er kannte den Gemüsebau und einige Heilkräuter. Denn er schrieb eine Anleitung wie auf seinen Landgütern in seinem riesigen Reich – das von Spanien bis nach Ungarn reichte – Kulturfrüchte, Heilkräuter und Gemüsepflanzen angebaut werden müssen, damit der Wanderkaiser immer feinstes Essen auf seinen Burgen und Pfalzen vorfand. Besser gesagt, er ließ es schreiben. 78 Pflanzen wurden in seiner ‚Capitulare de villis‘ verewigt und bis heute sorgsam hinter klösterlichen Mauern aufbewahrt.
Der Lehrer seines Enkels war ein paar Jahre später Abt im Kloster auf der Reichenau, und er schrieb das, was Karl verfasste in Versform. Sein ‚Hortulus‘ ist weltberühmt. Es enthält zwar ein paar Pflanzen weniger, doch es heißt, er musste sich mit Gartenbau sehr gut ausgekannt haben so fachmännisch seine Aufzeichnungen doch waren.

Der „Hortulus“ Walahfrid Strabos

Jener Walahfried, gilt den Reichenauern als Begründer des Gemüsebaus. Interessanterweise folgt seine Aufzeichnung von 24 Pflanzen mit Anweisungen zum Gartenbau genau der Anleitung Karls des Großen. Der, wie schon erwähnt, in seiner um 800 entstandenen Landgüterverordnung, der ‚Capitulare de villis‘ insgesamt 74 Nutz- und Kulturpflanzenarten beschrieb (übrigens viele Heil- und Gemüsepflanzen) und dazu noch 16 Baumarten, wie die Walnuss, Mandeln, Birnen natürlich – und separat noch 4 Apfelsorten. Karl der Große führte damit die ausgefeilten Techniken des Kulturpflanzenanbaus der Römer weiter.

Walahfrid – ich liebe seinen Namen – war Lehrer des Enkels von Karl dem Großen, und der hieß ‚Karl der Kahle‘ – seinen Namen liebe ich auch. Er regierte den westlichen Teil des Frankenreichs, das heutige Frankreich. Tragischerweise ertrank Walahfrid in der Loire als er wieder zu Besuch an den Hof seines Schülers wollte.

„Mit der Gründung des Benediktinerklosters begann auf der Insel Reichenau der Apfelanbau. Von 750 bis 1250 erfuhr der Obstbau eine Förderung durch die Karolinger, im Zuge derer das Kloster Reichenau auch das Erbe des Apfelanbaus zu neuer Blüte entwickelte. Manche Äpfel tragen sogar heute noch Namen aus dieser Zeit, zum Beispiel der Kloster- oder der Paterapfel. Das Klima, die Böden und auch die Tradition mit Erfahrung verbunden lassen inzwischen Erntemengen von etwa 250.000 t Äpfeln pro Jahr zu – anders gesagt: Das entspricht ca. 1.600.000.000 einzelnen Äpfeln! Birnen bringen es noch immer auf stolze 5.000 t!“ Quelle: https://www.bodensee.de/erleben/genuss/obst-vom-bodensee

„An Apple a Day Keeps the Doctor Away“ – vier Birnen auch.

Zurück zum Kuchen, den ich ja eigentlich backen wollte. Einen Birnenkuchen nach klassisch italienischer Art. Ah ja, und dann kam bei mir „Corona“ dazwischen. Ich war davon überzeugt, dass es sich um eine ganz normale Erkältung handelt, bis ich mich dann testete…. nunja jetzt gilt der Spruch „an apple a day keeps the doctor away“. Dabei habe ich Birnen gekauft. Auf dem Bauernmarkt. Mein Ziel war es ja, den Birnenkuchen aus der Klassischen Italienischen Küche zu machen und diesmal „professionell“ zu fotografieren. Leider war ich zu krank. Zu krank, um aufzustehen und Kuchen zu backen, aber nicht zu krank, um weiter zu forschen. Und nun sind die Birnen weg. Sie waren köstlich. Und ich wieder gesund. Es waren noch schöne aromatische gelbe Sommerbirnen. Also wieder Birnen kaufen, diesmal grüne schlanke Winterbirnen mit festem Fleisch. Zwar keine italienischen Abate, aber sahen so aus wie diese. Und sie waren ideal für den Birnenkuchen! Nicht zu weich und saftig, sondern fest und aromatisch.

Ein fluffiger Birnenkuchen oder ein ‚Dolce di pere della fattoresca‘

Hier das Rezept. Es stammt übrigens aus Marcella Hazans Kochbuch „Die Klassische Italienische Küche“. Und eigentlich handelt es sich nicht um einen normalen „Obstkuchen“, den man zur Kaffeetafel reicht, sondern um ein herrlich duftendes, butterweiches Dessert – ein Dolce – das man warm (!) mit kalter Schlagsahne servieren sollte. Ein Rezept, das eigentlich nicht misslingen kann – und wenn, wie die Rezeptautorin Marcella Hazan schreibt, eigentlich „nur infolge eines schlichten Sabotageaktes…“ 

Und doch ist er mir einmal misslungen, er ist mir schlicht zerlaufen…Daraus habe ich gelernt, ich backe ihn jetzt nur noch mit Unterhitze. Diesmal mit Umluft und Unterhitze, die „Pizzastufe“ an meinem Herd.

Das Wichtigste an dem Kuchen sind die Birnen. Wie immer – es sind die Zutaten. Marcella empfiehlt keine Williams Christ zu nehmen, sondern feste Sorten wie eine schlanke gelbe ‚Conference‘ oder eine Wintersorte wie ‚Bosc‘ (= Kaiser Alexander). Bei meinem Kuchen verwendete ich bisher die feste italienische ‚Abate‘. Diesmal war es eine spanische ‚Limoneras‘. Tolles Aroma nach Zitronenzesten!

BIRNENKUCHEN nach KLASSISCH ITALIENISCHER ART

Zutaten

für 6 Portionen (26 cm Springform)

900 g frische Birnen
2 Eier
4 EL Milch
200 g Zucker
Salz
170 g Mehl
Butter zum Ausfetten der Form
Semmelbrösel
Rohrohrzucker (oder brauner Zucker)
4-6 ganze Nelken nach Belieben

Zubereitung

  • Die Eier und die Milch in einer Schüssel oder dem Mixer verrühren, dabei langsam den Zucker und eine Prise Salz dazu geben und weiterschlagen, bis die Masse schaumig wird und Blasen wirft. Dann das Mehl portionsweise hinzufügen (Achtung: staubt!) und sorgfältig untermischen, bis ein zähflüssiger Teig entstanden ist.
  • Die Birnen schälten, halbieren, vierteln und je nach Größe achteln, dabei das Kerngehäuse herausschneiden. Die Birnenstücke sofort in den Teig unterheben, damit sie nicht braun werden.
  • Eine Springform großzügig ausbuttern und dann mit Semmelbrösel bestreuen. Die Semmelbrösel durch Schwenken in der Form verteilen, umdrehen und die überschüssigen Brösel abklopfen.
  • Den Teig mit den Birnen hineingeben und warten bis sich die zähflüssige Birnen-Teigmasse von selbst verteilt hat.
  • Vier bis sechs ganze Nelken an verschiedenen Stellen in den Teig drücken. Das Aroma verteilt sich beim Backen ganz zart und wunderbar im gesamten Kuchen. Wer dann beim späteren Essen des Kuchens eine Nelke findet, gilt als Glückspilz.
  • Den Kuchen in den auf 190°C vorgeheizten Backofen geben und etwa 45 Minuten bei Umluft mit Unterhitze backen.
  • Durch die große Menge braunen Zuckers wurde die Oberfläche fast so kross wie Eischnee. Wundervoll weich und aromatisch. Der Boden war durch die Unterhitze schön fest.
  • Den Kuchen vorsichtig aus der Form herauslösen und noch warm mit frisch geschlagener Sahne servieren.

Buon Appetito!!

Der Bodensee, Die Seidenstraße und die Römer

Und wie kam nun der Apfel an den Bodensee? Über die Seidenstraße, war ja klar. Die legendäre Handelsroute, die von China über die Taklamakan Wüste – mit einem Schlenker über Yining und dem heutigen südlichen Kasachstan – an den wilden Gebirgen Afghanistans (Baktrien) vorbei , nach Usbekistan (Sogdien) direkt nach Persien führte. Und von dort aus ging es über den Fruchtbaren Halbmond, die Levante nach Byzanz und zu den Römern. Aus der Nähe von Yining (Gulja) an der Grenze zu Kasachstan kamen wohl die Apfelsämlinge und aus Persien wurden die Birnensämlinge mitgebracht.

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Und noch eine Empfehlung – Eine Geschichte über wilde Apfelwälder in Kasachstan

„Das Verbreitungsgebiet des Asiatischen Wildapfels sind der Tien Shan und seine Ausläufer in Zentralasien. Das Gebirge erstreckt sich über Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan, Turkmenistan, die Mongolei und Xinjiang im Westen von China. Kerngebiet aber, mit heute noch rund 11.000 Hektar wilden Apfelwäldern, ist Kasachstan. Hier findet der Asiatische Wildapfel, aus dem alle heutigen Kultursorten des Apfels hervorgegangen sind, ideale Lebensbedingungen. [….]“

Eine interessante und lesenswerte Geschichte zum Ursprung des Apfelbaums im kasachischen Tarbagatai Gebirge – hier im WERDE Magazin

„Wilde Äpfel am Bodensee auf der Reichnau. Foto (c) Ute Mangold

Botanisches

Apfel

Die botanische Bezeichnung ist „Pyrus malus“ für den Wildapfel und „Malus domestica“ für die Kultursorten – er zählt zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Der Urapfel war eine saure, harte Frucht, vom wilden Holzapfel bis zu den heutigen Tafeläpfeln war ein langer Weg. Durch Züchtung, Selektierung und Veredelung entstanden ständig neue Sorten oder alte Sorten wurden weiterentwickelt. Es wird geschätzt, dass es heute über 25 000 Apfelsorten in der Welt gibt. Über 70 % der weltweiten Obsternte sind Äpfel, doch nicht jeder Apfel wächst in jedem Klima. Wichtige Unterscheidungs- und Qualitätsmerkmale sind heute nicht nur der Geschmack, sondern auch Reife, Lagerfähigkeit, Farbe und Größe.

Der Apfel gilt als weiblich, die Birne als männlich. So wurde traditionell bei der Geburt eines Mädchens ein Birnbaum und für einen Knaben ein Apfelbaum gepflanzt.

Birne

Die Birne hat ihren Ursprung in Persien und Armenien. Aus dem Spätneolithikum (späte Jungsteinzeit) konnten Spuren der Pflanze in Deutschland und angrenzenden Ländern nachgewiesen werden. Auch Homer, der griechische Dichter, der um das 8. Jahrhundert vor Christus gelebt hat, kannte diese Frucht. Schon die Babylonier und später die Germanen verehrten die Birne als heiligen Baum. Der Weg der Birne lässt sich jedenfalls mit Hilfe antiker Gelehrter verfolgen. Der griechische Naturforscher und Philosoph Theophrast (372 v. Chr.-286 v. Chr.) berichtet von drei Sorten, Marcus Porcius Cato der Ältere (234 v.Chr.-149 v.Chr.) erwähnt fünf bis sechs und Plinius der Ältere (23 n.Chr.-79 n.Chr.) kennt bereits 38 Sorten. Im Frankreich des 17. Jahrhunderts ist die Sortenvielfalt auf bis zu 300 angewachsen. Bereits 200 Jahre später gibt es schon um die 1.000 unterschiedliche Sorten – und heute wird die Vielfalt auf ca. 5.000 Birnensorten in alter und neuer Welt geschätzt.

Quelle: https://www.bund-sh.de/streuobstwiesen/geschichte-des-obstes/

Und warum ist die Birne so gesund?

Der Nährwert der Birne gleicht dem des Apfels. Sie enthält aber weniger Säure, viel mehr Zucker und ist schlechter lagerungsfähig als dieser. Sie wird daher von säureempfindlichen Personen gut vertragen. Die Birne ist ein guter Ballaststoff-Lieferant, außerdem enthält sie Vitamin A, Vitamine der B-Gruppe, Folsäure und Vitamin C sowie die Mineralstoffe Kalium, Kalzium und Magnesium. Der Großteil der Ernte wird roh gegessen. Die Verarbeitung erfolgt zu Saft, Obstwein, Nass Konserven, Marmelade, Dörrobst….. und Dolce ;-), so wie unser fluffiger Birnenkuchen.

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