GRÜNKOHL mit Pinkel – ein Gastbeitrag von Sebastian Bordthäuser und meine südbadische Variante mit SAIBLING und Mangalitza

Ob das ein weihnachtliches Rezept ist? Ich weiß nicht. Aber der Winter ist ja noch lang und der Grünkohl gehört zweifellos zu den Lieblingen der Gemüseküche. Jenseits der Mainlinie. Also nördlich davon. Und mir hat er noch gefehlt in meiner Sammlung #wintergemüse: G – wie Grünkohl. Grünkohl mit Pinkel. Hier gibt es keinen Pinkel. Ich habe nur Saibling. Und Mangalitza Speck. Aber Sebastian Bordthäuser hat Grünkohl mit Pinkel. Gestern frisch auf (seinem) Tisch, heute hier bei mir. Selbstverständlich mit der passenden Weinbegleitung.

Der von mir sehr geschätzte Sebastian Bordthäuser, ich nenne ihn mal studierten Sommelier, Musiker, Weinschreiber, Dozent und Master of the Flaschenuniverse – ausgestattet mit viel Humor, lässt sich am liebsten beim Bier danach fotografieren. Ich meine das Absackerbier nach der Probe. Bieryoga. Nach dem Probieren von hunderten von Weinen. Ist sein Beruf. Danach ist deine Nase dicht, da geht nichts mehr, nur noch Bier. Studiert hat er Germanistik, gesammelt hat er viele Platten, also Vinyl, und Gitarren habe ich mir sagen lassen. Für mich ist er einer der besten Weinbrains in der Branche! Also, Weinkenner mit Gehirnarchiv. Alle Weine der Welt sensorisch und wissenschaftlich eingescannt und nach Speisenkombinationen eingeordnet. Kennen gelernt habe ich ihn über mein liebstes Kulinarikmagazin ‚Effilee‘ und später live auf einer Naturweinmesse in Köln. Das war 2013 die Pionierveranstaltung und erste Veranstaltung dieser Art von Sur-ki Schrade, Naturweinhändlerin von La Vincaillerie in Köln. Ehrenfeld. Da wohnt auch Herr Bordthäuser. Improvisiert in einer Halle mit Winzern quer durch Europa und absolut experimentellen Weinen. Für uns. Damals noch. Weine, die nach Sauerkraut schmeckten, ja, und auch dazu passten. Und endlich habe ich auch einen Wein für ein deftiges Linsengericht gefunden. Viele Weine, ungeschwefelt, spontan vergoren und in Tonkrügen in der Erde vergraben. Georgischer Weinstil, kroatischer Anarchismus, Biodynamie und südfranzösischer Anachronismus. Ein Erweckungserlebnis für mich – da waren endlich die Weine, die zu meinen Kräutern und zu Gemüse passten! Dazu hat Sebastian Bordthäuser zusammen mit der Köchin und Fotografin Ela Rüther ein Buch veröffentlicht: „Wein & Gemüse“. Es liegt bei mir viel gelesen im Regal. Steht.

Und besonders strange ist eine Weinkombinaton zu Grünkohl. Welcher Wein zu Grünkohl und Pinkel? Ich traute mich fast nicht zu fragen, aber ich ahnte, er weiß was dazu. Ja, und heraus kam ein Wein, der sich teuer anhört und vielleicht auch ist? Ein Bordoo? Paul Liac? Ein Rotwein. Kein Bier.

Hier kommt mein Interview plus Rezept mit und von Sebastian Bordthäuser, auch Supersebs genannt. Plus Bilder und Videos!!! Wie geil 😉. Mein schlechtes Gewissen, dass ich das Kultfood „Grünkohl mit Pinkel“ bisher noch nicht religiös verehre, kann ich jetzt endlich loswerden.

Irgendwo in den Social Media, tauchte seine Story mit Grünkohl in einem Topf auf. Mein Kommentar dazu: „Grünkohl ohne Pinkel?“ Antwort „Noch“ 
Ich: „Das ist gut, weil ich weiß immer noch nicht, was Pinkel ist“
Sebastian Bordthäuser: „Eine Grützwurst mit Hafer. Klassisch mit Bregen in der Schweinsblase. Daher Pinkel. Pinkel ist ne Art Religion“.
Ich: „Hört sich fast so gut wie Saumagen an. Schreibst du Rezept? Würde ich als Gastbeitrag oder so auf meiner Homepage veröffentlichen, wenn ok. Selbstverständlich mit der passenden Weinbegleitung 😁“
11:07 Sebastian: „Das Rezept ist einfach: Für 4 Pax 1 kg Grünkohl für gut 10 min in Salzwasser blanchieren, abtropfen lassen, anschließend 3 gelbe Zwiebeln fein hacken und in Gänseschmalz anlassen, den Kohl dazu geben, mit Brühe aufgießen und kochen. Ein Teebeutel mit gelber Senfsaat, Kümmel, Piment, Wacholder und schwarzem Pfeffer mitkochen, nachher entfernen. Die Fleischeinlage dazu geben und mitkochen lassen. Abschmecken mit Salz und Pfeffer und scharfem Löwensenf (Gut 3 -5 EL nach Geschmack).  Wir hatten gestern einen 2016 Chateau Fonbadet Puaillac *Ich nehme an, er meinte: Pauillac* dazu, dann Pils und Aquavit. Ich persönlich finde gerbstoffhaltige Weine harmonieren wunderbar mit dem leicht bitteren Grünkohl und heben die Frucht. Es wird übrigens traditionell Bordeaux bei der Bremer Schaffermahlzeit gereicht.
Du hast Folgendes gesendet: Ah super, 👍 Danke dir! G - wie Grünkohl auch abgehakt,🥦🥬🌱. Sebastian: Done ✅

Im Grunde eine kurze Rezeptgeschichte. Einfach und gut. Aber, da wir hier kein Pinkel haben (kein en?) und das keine Tradition in Südbaden ist, habe ich es mal mit Saibling probiert. Und ein bisschen Speck dazu. Vom Mangalitza Schwein, eine wilde Rasse aus Ungarn. Freilaufende Wollschweine von einer Rheinwiese bei Kehl. Der Saibling kommt nicht weit entfernt davon aus einer frauengeführten Fischzucht aus Neuried. Und der Grünkohl von einem Biobauern, ebenfalls aus Südbaden. Alles regional und saisonal. Hier die südbadische Variant: Grünkohl mit/ohne Pinkel.

Grünkohl mit Saibling und Speck vom Mangalitza Schwein

Zutaten (4 Portionen)

4 Saiblingsfilets á 100 g
4 Scheiben Speck (z.B. vom Mangalitza Schwein)
2 kleine rote Zwiebeln
400 g abgezupfte Blätter vom Palm- und Grünkohl
100 g Butter
Meersalz und frischer Pfeffer


Zubereitung

Die roten Zwiebeln würfeln, die Grünkohlblätter von den Stängeln lösen und in grobe Stücke schneiden.

Den Grünkohl in Salzwasser kurz blanchieren – oder wie ich das immer mache: mit gekochtem Wasser übergießen, salzen, umrühren, eine Minute stehen lassen und dann abseihen.

Nach dem Abseihen in ganz kaltes Wasser legen oder Wasser mit Eiswürfel nehmen, so dass der Grünkohl noch grün bleibt. In ein Sieb geben und gut abtropfen lassen.

Den Saibling kurz in Butter und Speck anbraten. In eine Pfanne Butter geben und den Speck (hier vom Mangalitza Schwein) anrösten. Die Butter darf noch nicht braun werden. Dann das Saiblingsfilet zugeben. Zunächst die Seite mit der Haut kurz anbraten – wobei die Butter nun braun wird – und dann darin schnell die andere Seite noch kurz in der braunen Butter mit dem Speck anbraten. Ganz kurz! Alles darf nicht zu braun werden. Da ist viel Feingefühl gefragt.

Den Fisch mit dem Fett und dem Speck in eine Auflaufform geben und im Backofen bei 60 Grad noch maximal 10 Minuten durchgaren lassen.

Zwischenzeitlich in einer weiteren Pfanne die roten Zwiebeln in Butter glasig dämpfen, den Grünkohl gut trocknen (das heißt in Küchenpapier nochmal auswringen) und mit anbraten. Bei nicht zu großer Hitze. Der Grünkohl darf ruhig etwas braun werden, dann schmeckt er umso besser! Salzen und pfeffern.

Zum Servieren den Fisch auf das Grünkohl-Zwiebel-Braune-Butter-Bett in der Pfanne legen und mit Pfeffer und Salz nachwürzen.

SLOW FOOD aus der Region

Der Grünkohl stammt vom Biomarkt um die Ecke. Der Saibling vom Wochenmarkt in Offenburg aus der Forellenzucht Anselm aus den nahen Rheinauen. Und bei meinem Dorfmetzger gab es Mangalitza Speck einer alten Wollschweinrasse, die im Freien und im Matsch leben darf. Ursprünglich aus Ungarn, jetzt kauft unser Dorfmetzger sie von einem südbadischen Züchter. Er ist übrigens Mitglied bei Slow-Food. Das Mangalitza Wollschwein gehörte mal zur Nutztier Arche (Die gibt es leider nicht mehr, wie ich nach Überprüfen des Links festgestellt habe).

*Alle Links sind meine persönliche Empfehlung, keine Werbung und auch kein Auftrag.

Ergänzung: So wie ich mich für Alte Gemüsesorten und Vergessene Kulturpflanzen einsetze, so auch für Alte Nutztierrassen. Viele davon waren von der Slow Food Bewegung in ihrer „Arche“ aufgenommen, weil viele Menschen mit ihrer Arbeit davon leben und damit auch einen Beitrag zum Erhalt unserer wertvollen und aussterbenden Kulturlandschaft leisten. Siehe auch Tiere in der Landwirtschaft, ein Positionspapier von Slow Food.

Wie viele Zeichen habe ich?  Okay, erst um die 7000, dann kann ich noch einen Botanik Teil loswerden und noch Infos zum Mangalitza Schwein – und Pinkel. Mein Forschergeist muss noch mehr wissen über die Zutaten!

GRÜNKOHL, MANGALITZA und PINKEL

Ich lese: „GRÜNKOHL […] ist eine Kohlart mit dem höchsten Gehalt an hochwertigem Eiweiß und Eisen (in 100 g stecken so viel Eisen wie in 100 g Schweinekotelett oder 1 Glas Milch), Kohlehydraten und Calcium (1 Portion enthält so viel wie 2 Gläser Milch). An Betacarotin wird der nur von Möhren übertroffen. Er enthält Kalium, besonders viel Vitamin C, auch reichlich entzündungshemmendes Vitamin K, Ballaststoffe und Antioxidantien (Carotinoide, Flavonoide, Lutein), die die Sehkraft verbessern und Netzhautdegeneration vorbeugen, sowie Nitrat. Und außergewöhnlich viele sekundäre Pflanzenstoffe wie die Senföle. Zudem zeichnet ihn ein hohes Vorkommen von Omega-3-Fettsäuren (Alpha-Linolensäure) aus: Ein echtes Superfood! […]“

Diesmal habe ich abgeschrieben und alles in ein Zitat eingefügt, denn was meine geschätzte Pflanzenheilkundekollegin, nein -lehrerin: Ursel Bühring in ihrem Buch „Heilkraft von Obst und Gemüse“ schreibt, muss ich nicht noch mal überprüfen. Sie ist DIE Wissende, was heilkundige Pflanzen angeht.

MANGALITZA – ein selten gewordenes Wollschwein

Beim Mangalitza Schwein handelt es sich um eine alte und selten gewordene Schweinerasse. Die Bilder stammen von der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen.

„Das Mangalica-Schwein (auch: Mangalitza oder Mangaliza oder Wollschwein, seltener auch Schafschwein genannt) ist eine ungarische Schweinerasse, die sich durch krause, helle Borsten auszeichnet. […] Um das vom Aussterben bedrohte Wollschwein zu erhalten, wurden in ganz Europa verschiedene Projekte gestartet. In Deutschland sorgt die Initiative „Nutztier-Arche“ dafür, dass die alten Nutztierrassen erhalten bleiben.“ lese ich in Wikipedia.

In Ungarn ist es noch recht weit verbreitet. Und aus Ungarn bringen wir auch die Idee für unser Rezept mit! In einem kleinen Landgasthof außerhalb von Héviz in der Nähe des Balaton bekamen wir feinstes Mangalitza, ein Teller mit zartem Fleisch vom Hals und ein Teller mit Steaks. Das Fleisch schmeckte sehr aromatisch. Wir waren angefixt!

Ich habe Glück, denn unsere Dorfmetzgerei Walter in Oberschopfheim führt das Mangalitza. Alle paar Wochen gibt es Fleisch von diesen speziellen ungarischen Wollschweinen. Das Fleisch hat eine dicke Fettkruste und ist innen ganz zart von roter Farbe – fast wie beim Rind.

„Das Mangaliza-Schwein benötigt keine besondere Pflege und ist gut für die Mast geeignet. Mit einem Fettanteil von 65 % bis 70 % der Gesamtmasse seines Körpers ist es eine der fettesten Schweinearten der Welt. Das Fleisch ist sehr schmackhaft. Es ist rot und mit weißen Streifen vom intramuskulären Fett marmoriert, hat einem hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren und enthält natürliche Antioxidantien. Mangaliza-Schweinefett schmilzt bei einer niedrigeren Temperatur als anderes Schweinefett, da es eine höhere Menge an ungesättigten Fettsäuren enthält“, so lese ich bei Wikipedia weiter…

Und noch eine Info zu PINKEL

Die Pinkel ist eine norddeutsche Grützwurst. Sie besteht aus durchwachsenem Schweinefleisch und Hafer- oder Gerstengrütze. Beliebt ist sie vor allem in der Gegend um Oldenburg, Bremen, Osnabrück und Friesland. Die Rezeptur variiert von Betrieb zu Betrieb und jeder Fleischer ist stolz auf sein individuelles Rezept. Zwischen Oldenburger und Bremer Fleischern besteht sogar ein kleiner Zwist darüber, wer die bessere Pinkel herstellt.

Herstellung: Die Hafergrütze wird in Wasser eingeweicht und ca. 30 Minuten aufgekocht. Der frische Schweinebauch wird kurz gegart und in ca. 5 mm Würfel geschnitten. Die Zwiebeln werden sehr fein gewürfelt. Der Fleischer vermengt alles zu einer gleichmäßigen Masse, die mit Salz und Pfeffer sowie Piment, Nelken und Thymian gewürzt wird. Gefüllt wird die Masse in einen Rindermitteldarm, der im Plattdeutschen auch als „Pinkel“ bezeichnet wird und der Wurst ihren Namen gibt. Quelle: Guter Genuss

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