#Schwarzwald – SAUERBRATEN, Weiderinder und was ist eigentlich ein mürber Schoß?

Die Eisheiligen sind in diesem Jahr wirklich eisig. Und schon wieder ein Tief von Norden, es regnet in Strömen. Doch egal, Regen kann hier sooo schön sein. Im Mai. Im Schwarzwald. Im lieblichen Kinzigtal mit seinen Wiesen und Weiden unterhalb tannenbestandener Berge – hier ist alles satt grün. Die Wiesen voller Blüten und Wildkräuter. Ein richtiges Schwarzwaldidyll mit Kühen auf der Weide. Was kochen? Bei dem Wetter muss es ein Schmorbraten sein. Ich kaufe Sauerbraten! Von einem Kinzigtaler Metzger aus der Marktscheune. Und es wird Rotwein dazu geben. Den hab ich von der Mosel, vom Stefan Steinmetz „Alter Satz„, ein Wein aus mittelalterlichen Rebsorten. Das passt.

Der mürbe Schoß

Alter Satz und ein altes Kochbuch. Ein Kochbüchlein aus der Zeit als meine Mutter kochen lernte, das war so um 1953 rum. Darin lese ich, dass man damals für Sauerbraten Ochsen- oder Rinderfleisch nahm, und zwar vom „mürben Schoß“. Tja, was ist das? Von welchem Teil vom Rind kommt der Sauerbraten von 1953? Hüfte, Bug, Tafelspitz? Oder? Auf meiner Suche nach einer Übersetzung der alten Fleischbestandteile fand ich eine Quelle aus fast derselben Zeit, da werden sogar 553 verschiedene Bezeichnungen für die Teilstücke vom Rind verwendet! (openagrar.de) Und noch eine Quelle zum Vergleich hier vom Metzger: Fleisch & Fleischkunde. Okay, also mürber Schoß ist also aus der Hüfte, auch Blume genannt. Und ich habe Sauerbraten aus dem Rinderbug, in Baden auch Schaufel genannt. Der ist am Vorderbein des Rindes. Egal. Der Sauerbraten wird wunderbar mürbe, wie der mürbe Schoß.

Übrigens wurde Sauerbraten früher traditionell am Montag eingelegt, damit er als Sonntagsbraten am Festtag auf den Tisch kommt.

Wenn der Sauerbraten zu sauer ist

Eingelegten Sauerbraten zu kaufen, war nur ein bisschen ein Fehler, denn der Sauerbraten war tatsächlich sauer. Viel zu sauer. Denn der Haltbarkeit geschuldet, nehmen Metzger gerne Branntweinessig zum Einlegen. So auch der Metzger aus dem Kinzigtal. Dafür waren die Gewürze super! Damit mir der Sauerbraten nicht wieder zu sauer wird, kippte ich diesmal die saure Beize ab, fing die Gewürze auf und legte ihn über Nacht nochmal in Spätburgunder (viel Spätburgunder!) ein mit Suppengemüse (Karotten, Lauch, Sellerie) und den Gewürzen. Der Spätburgunder kam von hier und der darf nicht zu trocken sein. Etwas Restsüße tut gut und gleicht die Säure aus. Beim Suppengemüse erhöhte die die Karottenmenge, denn die geben nochmal zusätzlich Süße. Und Tomatenmark, das kommt noch in die Sauce. Und mal sehen, evtl. noch mit etwas Honig ausgleichen.

Warum ist der Sauerbraten eigentlich so sauer?

„Traditionell wurde beim Rheinischen Sauerbraten Pferdefleisch verwendet. Da das Fleisch alter Pferde zäh war, musste es durch die Beize weich gemacht werden“. Lese ich. Ups, äh… und weiter geht’s mit „Den Ursprung und die Entwicklung des Rheinischen Sauerbratens führt man auf römische Einflüsse zurück. Man glaubt, dass kein anderer als Julius Caesar auf seinem Marsch über Bonn – Köln – Aachen wegen des unerwartet heißen Wetters seine Marschverpflegung und insbesondere das Fleisch in Essig konservieren ließ.“ (Landservice – Küchengeschichten). Und dann kommt noch eine Quelle, die Karl den Großen und das 9. Jahrhundert erwähnt, und dass der Sauerbraten von ihm quasi erfunden wurde, um gebratene Fleischreste zu konservieren. Klingt plausibel. Konservierung in Essig. Macht das Fleisch nicht nur haltbar, sondern auch mürbe. Passt.

Und wie macht man badischen Sauerbraten?

Also den auf die Römerquellen zurück gehenden Rheinischen Sauerbraten mit Rosinen kennt ja jeder. Den Sächsischen mit Lebkuchen und grünen, sprich rohen Klößen aus dem Vogtland vielleicht auch noch? Aber wie geht eigentlich Badischer Sauerbraten? Oder Sauerbraten aus dem Schwarzwald? Mit Spätburgunder und badische Knöpfle, war ja klar 😉 Vielleicht noch Tannenzweigen und Wacholderbeeren. Spätburgunder zum Einlegen, nehme ich, klar! Aber statt Knöpfle gibt es ‚Klöß‘. Fränkische. Statt Tannenzweige nehme ich Lorbeerblätter aus meinem Garten. Und zum Trinken der Alte Satz von der Mosel.

Lorbeer und Wacholderbeeren

Im alten Kochbuch von 1953 werden Lorbeerblätter, Nelken und Pfefferkörner als Gewürze verwendet. Die waren auch in der Beize vom Metzger. Ich ergänze noch mit ein paar Wacholderbeeren und Piment. Denn die Kräuter und Gewürze geben nicht nur Würze sondern helfen mit ihren Tanninen (Gerbstoffen) und Flavonoiden (sekundären Pflanzenstoffen) bei der Fleischkonservierung mit ihrer antioxidativen Wirkung noch zusätzlich! Altes Wissen. Da die Kräuter schon die Römer kannten, wohl auch alte Überlieferung.

Doch nun zum Rezept.

BADISCHER SAUERBRATEN mit Spätburgunder

Zutaten für die zweite Beize:

1 kg mürbes Rindfleisch (Bug, Hüfte oder Tafelspitz) vom Metzger schon eingelegt.

  • 1 L trockener Rotwein
  • 1/4 L Rotweinessig (kein Essig falls der Sauerbraten schon in Beize eingelegt war!)
  • 1 Zwiebel gespickt
  • 2 Lorbeerblätter
  • 1 TL Pfefferkörner, 1 TL Wacholderbeeren, 1 TL Piment (falls vorhanden)
  • 1 Suppengrün bestehend aus 2 – 3 Karotten, 1 kleinen Stange Lauch, 1 Stück Sellerieknolle und Petersilie.
  • Weitere Zutaten:
  • Butterschmalz
  • 2 EL Tomatenmark (das ist wichtig, damit die Sauce schön glänzt)
  • etwas Honig zum ausbalancieren
  • Salz und Pfeffer

Beilage:

Frischer Teig für Kartoffelklöße, Apfelrotkraut aus dem Glas

Zubereitung:

  • Das Fleisch aus der Beize vom Metzger nehmen und absieben.
  • Eine neue Beize mit Spätburgunder und frischen Gemüse und Gewürzen ansetzen. Vorsicht mit dem Essig, falls die Beize vom Metzger zu sauer war, dann weglassen. Der Spätburgunder kann übrigens ruhig Restsüße haben.
  • Über Nacht nochmal in die selbstgemachte Beize aus Spätburgunder, Gemüse und Gewürzen einlegen.
  • Am Zubereitungstag das Fleisch aus der Beize nehmen und mit Küchenpapier trocknen.
  • Die Spätburgunder Beize mit dem Gemüse durch ein Sieb gießen. Den Spätburgundersaft und das Gemüse getrennt aufheben.
  • Butterschmalz in einer Kasserolle erhitzen und das Fleisch von allen Seiten gut anbraten.
  • Das Gemüse aus dem Sieb zugeben und anrösten. In der Mitte eine Kuhle machen und das Tomatenmark kurz mit anrösten.
  • Dann mit der Spätburgunderbeize ablöschen.
  • Den Braten für mindestens 1 bis 1 1/2 Stunden bei geringer Hitze schmoren lassen.
  • Kocht die Soße dabei ein, gibt man nach und nach noch Rotwein hinzu und ergänzt mit Fleisch- oder Gemüsebrühe.
  • Ist das Fleisch gar, nimmt man es heraus und lässt es kurze Zeit ruhen.
  • Die Soße passiert man durch ein Sieb.
  • Die aufgefangene Flüssigkeit kocht man nochmal auf und reduziert sie auf die gewünschte Konsistenz. Anschließend nochmal mit Salz, Pfeffer und etwas Honig ab.
  • Als Beilage eignen sich badische Knöpfle, breite Nudeln oder Kartoffelklöße (mein Favorit!) und Rotkraut.

Alter Satz von Stefan Steinmetz

Ein Wein aus mittelalterlichen Sorten, im Versuchsanbau. Seit 2019 macht er ihn erst. Ein „medievalfieldblend“, sprich ein Rebsortencuvee aus den alten Rebsorten Hartblau Süßschwarz, SchwarzblauerAffenthaler, Schwarzurban, Fränkischer Burgunder. Ein Rotwein von der Mosel bei Brauneberg. Nachzulesen unter „Alter Satz“ bei Weingut Günther Steinmetz.

"Dieser spezielle Rotwein ist ein im Weinberg gewachsenes Rebsortencuvée aus mittelalterlichen Rebsorten.  Die Methode gemischter Rebsorten-Parzellen, deren gemeinsame Vergärung und Pressung war jahrtausendelange Praxis. Die verschiedenen Sorten sollen sich untereinander ergänzen und verstärken. Mit dieser Wiederanpflanzung möchten wir diese alte Methode neu beleben. 

Rebsorten: Hartblau, Süßschwarz, Schwarzblauer Affenthaler, Schwarzurban, Fränkischer Burgunder.

Ich beschreibe ihn als: „Warm, weich, würzig, typischer Steinmetz Stil. So rund wie seine besten Pinots. Ein wunderschöner Wein.“

#altersatz #stefansteinmetz #weingutgünthersteinmetz #medievalfieldblend #rebsortencuvee #hartblau #Süßschwarz #SchwarzblauerAffenthaler #Schwarzurban #fränkischerburgunder #mosel

Schwarzwälder Weiderind als Landschaftspfleger

Rettet das Weiderind!

Unser Sauerbraten kommt vom Kinzigtäler Weiderind. Und ohne Rinder keine Wiesen, keine Weiden, keine typische Schwarzwaldlandschaft! Lebendige Kulturlandschaft mit Kühen auf der Weide. Auch das gehört zur Schwarzwaldromantik. Viele Tier- und Pflanzenarten, viele meiner Lieblingskräuter, viele Heilpflanzen, die gäbe es nicht, wenn es die offene Kulturlandschaft nicht gäbe mit ihren zahlreichen Lebensräumen. Ohne Mensch und Nutztier wäre alles von Brombeerhecken und später Wald eingenommen. Eintöniger Buchenwald. Das wäre die natürliche Sukesszion. Doch diese können nicht nur Milchkühe sein, die eher im Stall gehalten werden. Auf den Weiden stehen robuste Weiderinder. Und die geben Fleisch. Gutes Fleisch. Und davon mache ich heute Sauerbraten.

Vogtsbauernhöfe und traditionelle Rinderhaltung

Es sind auch heute noch Bauernhöfe mit traditioneller Rinderhaltung, in mitten von satten grünen Wiesen, die es so ohne die Weiderinder nicht gäbe. Und auch die großen alten Höfe nicht. Und von so einem alten Schwarzwaldhof kommt unser Weiderind. Beziehungsweise der Sauerbraten. Ein Auszug aus einem Text zum Fleisch der Erzeugergemeinschaft Schwarzwald Bio-Weiderind.

"Das Fleisch des Bio-Weiderinds aus dem Schwarzwald ist besonders zart und äußerst schmackhaft. Das liegt vor allem an der natürlichen Ernährung der Tiere mit frischem Gras und Weidekräutern. Der Schwarzwald liefert dafür mit seinen saftigen Weiden die optimalen Bedingungen. Die Bio-Weiderinder wachsen im Herdenverbund unter natürlichen Bedingungen heran. Dadurch erhält das Fleisch seine intensive Marmorierung (Maserung) und seinen aromatischen Geschmack." 
"Ein weiterer wichtiger Vorteil dieser Grünlandhaltung ist die Offenhaltung unserer Landschaft. Dies wirkt sich positiv auf den Naturhaushalt, das Klima und den Biotop und Artenschutz aus.
Unsere qualitativ hochwertige Grünlandhaltung, zeichnet sich auch dadurch aus, die Zahl der Tiere pro Weidefläche zu begrenzen. Bei uns lebt auf einem Hektar Grünland ein Rind. Die Weideflächen befinden sich überwiegend in Steillage, was zur bereits erwähnten Offenhaltung der Landschaft beiträgt."

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4 Antworten auf “#Schwarzwald – SAUERBRATEN, Weiderinder und was ist eigentlich ein mürber Schoß?”

  1. Sehr sehr spannendes Kompendium! Sauerbraten war nie meins, so wie süßsauer eingelegte Kürbisse mich auch eher in die Flucht schlagen. Aber vielleicht versuche ich mich nochmal dran. Zu verführerisch sieht Deiner aus!

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